Der photische Niesreflex (altgriechisch φῶς phōs, Gen. φωτός phōtos „Licht“) beschreibt das Phänomen, dass manche Menschen niesen müssen, wenn sie plötzlicher Helligkeit ausgesetzt sind (z. B. Sonnenlicht).

Verbreitung

In unterschiedlicher Ausprägung weisen 17 bis 35 Prozent der Menschen diesen Effekt auf. Unter den Betroffenen sind Frauen leicht überrepräsentiert. Es besteht eine statistisch signifikante Korrelation zwischen dem Auftreten des photischen Niesreflexes und dem Vorliegen einer Nasenscheidewandverkrümmung. Die meisten Betroffenen reagieren mit maximal dreimaligem Niesen innerhalb eines Zeitraums von 20 Sekunden.

Ursachen

Die Ursachen sind nicht abschließend geklärt. Als sehr wahrscheinlich gilt jedoch eine autosomal dominante Vererbung, daher spricht man auch vom ACHOO-Syndrome (Autosomal Dominant Compelling Helio-Ophthalmic Outbursts of Sneezing). Die gängigste Theorie geht davon aus, dass bei diesen Menschen der Sehnerv (Nervus opticus) ungewöhnlich nah am Drillingsnerv (Nervus trigeminus) verläuft. Letzterer Nerv ist für die sensible Innervation des Gesichtes und auch der Nasenschleimhaut verantwortlich. Werden nun bei plötzlicher Helligkeit sehr viele Aktionspotentiale über den Sehnerv geleitet, wird der Drillingsnerv elektrisch gereizt, was vom Gehirn wie eine Reizung der Nasenschleimhaut verarbeitet wird und somit als Niesreiz Ausdruck findet. Wenn sich das Auge an die Helligkeit gewöhnt hat, also die Pupillen verengt sind und die Empfindlichkeit der Netzhaut abgenommen hat, lässt der Niesreiz nach.

Der photische Niesreflex wurde als Risikofaktor für Militärpiloten identifiziert, da diese dadurch möglicherweise in einer kritischen Flugsituation von der Steuerung ihrer Maschine abgelenkt werden könnten. Bei entsprechenden Versuchen wurde festgestellt, dass Interferenzfilter und damit auch Sonnenbrillen keinen Schutz vor dem Niesreflex bieten. Man geht daher davon aus, dass nicht die Wellenlänge, sondern die Intensität des Lichtes für den Reiz verantwortlich ist.

Frühe Erklärungsversuche

Die wohl ersten Aufzeichnungen zu diesem Phänomen finden sich bei Pseudo-Aristoteles. Der Autor führt das Niesen nicht auf die Licht-, sondern auf die Wärmeeinwirkung der Sonne zurück. Statt von einem photischen müsste man hier von einem thermischen Niesreflex sprechen.

Fast 2000 Jahre später widerspricht der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon dieser Ansicht. In Sylva Sylvarum or A Naturall Historie in Ten Centuries (1626), einer posthum veröffentlichten Kompilation von Naturbeschreibungen, vertritt er die Ansicht, dass das Niesen nicht von der Erwärmung der Nase herrühre. Der Grund liege vielmehr darin, dass Flüssigkeit aus dem Gehirn in die Augen und von dort in die Nase fließe. Über die genaue Ursache für diesen Abfluss von Hirnflüssigkeit schweigt Bacon allerdings. Ob er das Licht oder die Wärme dafür verantwortlich macht, muss offenbleiben. (Durch seine Feststellung, dass das Niesen nicht von der Erwärmung der Nase herrühre, schließt Bacon eine Wärmeeinwirkung nicht generell als Ursache des Niesens aus.)

Erwähnungen in der Belletristik

Auch in die Belletristik findet der photische Niesreflex immer wieder Eingang.

Georg Büchner erwähnt ihn im 1836 verfassten Drama Woyzeck:

Eine weitere Stelle findet sich in Iwan Sergejewitsch Turgenews 1862 erschienenem Roman Väter und Söhne. In einer Szene des Romans liegen die beiden Hauptpersonen Jewgenij und Basarow ausgestreckt im Heu. Ein Stabsarzt kommt hinzu und sagt:

1868 fand der photische Niesreflex Eingang in Wilhelm Buschs kurze Bildergeschichte Die Prise. Ein Mann, der eine Prise Schnupftabak genommen hat, probiert verschiedene Dinge aus, damit das Jucken in der Nase auch tatsächlich zum befreienden Niesen führt. Ein Blick in die Sonne bringt endlich die Erlösung.

Auch in neuerer Literatur finden sich Erwähnungen:

Literatur

  • W. R. Collie, R. A. Pagon, J. G. Hall, M. H. Shokeir: ACHOO syndrome (autosomal dominant compelling helio-ophthalmic outburst syndrome). In: Birth Defects Orig Artic Ser. 14(6B), 1978, S. 361–363. PMID 728575
  • E. W. Benbow: Practical hazards of photic sneezing. In: Br J Ophthalmol. 75(7), Jul 1991, S. 447. PMID 1854707
  • R. A. Breitenbach, P. K. Swisher, M. K. Kim, B. S. Patel: The photic sneeze reflex as a risk factor to combat pilots. In: Mil Med. 158(12), Dez 1993, S. 806–809. PMID 8108024
  • L. P. Semes, J. F. Amos, J. W. Waterbor: The photic sneeze response, a descriptive report of a clinic population. In: J Am Optom Assoc. 66(6), Jun 1995, S. 372–377. PMID 7673597
  • J. M. García-Moreno, M. D. Páramo, M. C. Cid, G. Navarro, M. A. Gamero, M. Lucas, G. Izquierdo: Autosomal dominant compelling helio-ophthalmic outburst syndrome (photic sneeze reflex), clinical study of six Spanish families. In: Neurologia. 20(6), Jul–Aug 2005, S. 276–282. PMID 16007510
  • Warum uns die Sonne in der Nase kitzelt. In: derStandard.at, 3. März 2010.

Weblinks

  • Why does bright light cause some people to sneeze? In: Scientific American. 18. November 2002
  • Warum müssen manche Menschen niesen, wenn sie in die Sonne schauen? In: Spektrum der Wissenschaft. 28. Juni 2002.

Einzelnachweise


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